Tarik (Hund)

Tarik kam aus einem anderen Tierheim zu uns, da der dortige Verkehrslärm für ihn purer Stress war. Er ist im Umgang mit optischen und akustischen Außenreizen schnell extrem überfordert und reagiert in solchen Situationen kopflos, weshalb er, einmal ausgelöst, nicht ansprechbar ist und man ihn schwer wieder zur Ruhe bring. Hier benötigt es noch intensives Training und eine ruhige Umgebung, damit er sich von dem Stress wieder erholen kann. Vorbeifahrende Autos oder Fußgänger nimmt er bereits aus größerer Distanz wahr und nutzt solche Momente gerne, um seinen Frust rauszulassen. Typisch Herdenschützer, tritt dieses Verhalten besonders in den „eigenen“ vier Wänden auf – weder Sichtschutz noch ausreichend Abstand zum Zaun erspart den vorbeilaufenden Passanten die Kommentare des empörten Anwohners.

Der Akbashrüde benötigt eine klare Führung und feste Spielregeln, da er sonst schnell versucht, die Zügel selbst in die Pfoten zu nehmen. Inzwischen kann er die Vorgaben seiner Zweibeiner bereits besser akzeptieren, ohne zu schnell die Fassung zu verlieren. Dennoch bleibt Tariks Sturkopf ein ständiger Begleiter. Im Training ist es daher wichtig, einen guten Kompromiss zu finden und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wieviel er in welchen Situationen leisten kann. Macht ihm das Training Freude, ist er gern und mit Feuereifer dabei. Schnell versteht er, was von ihm erwartet wird. So lies Tarik sich auch problemlos auf den Clicker konditionieren, der im gemeinsamen Alltag als gutes Hilfsmittel für punktgenaue Bestätigung wirkt. Dies ist zum Beispiel während der Arbeit mit unserer Maulkorbklappe hilfreich. Tarik kann dabei seinen Kopf durch eine Öffnung im Zaun halten und sich seinen Maulkorb aufsetzen und wieder abnehmen lassen.

Der Maulkorb ist ein fester Bestandteil in Tariks Handling. Bereits als junger Hund hat er in seinem damaligen Zuhause wiederholt die Zähne eingesetzt. Besonders Futter war dem jungen Rüden extrem wichtig und wurde mit allem verteidigt, was ihm zur Verfügung stand. Auch danach häuften sich die Momente, in denen dem “Man in White“ die Sicherungen durchgebrannt sind. Besonders in aufregenden oder stressigen Momenten löst der große Weiße aus und je nach Lust und Laune werden auch bekannte Bezugspersonen hinterfragt – ganz ohne äußeren Auslöser.
Bei Tarik spielt die Tagesform eine große Rolle und es wird immer wieder deutlich, wie sehr Tarik im Hier und Jetzt lebt – was gestern gut lief, kann heute schon wieder ganz anders aussehen und auch Menschen, die ihn zuvor kuscheln und anleinen durften, werden am nächsten Tag nicht mehr in das Gehege gelassen. Der eigenständige Hund entscheidet am liebsten selbst, wie der Hase läuft.

Auch im Kontakt mit anderen Hunden gibt er am liebsten den Ton an. Wo er sich in jungen Jahren noch auf die ein oder andere entspannte Toberei einlassen konnte, ist seit dem Erwachsensein nichts mehr von der jugendlichen Leichtigkeit zu sehen. Am Gitter lässt er sich bei dem ein oder anderen weiblichen Vierbeiner noch auf einen gelegentlichen Flirt ein – im direkten Sozialkontakt ist hiervon jedoch nichts mehr zu erkennen. Kleinere oder sanftere Charaktere haben bei Tarik von Anfang an wenig zu melden. Bei gestandenen Hunden, die sich durchzusetzen wissen und sehr souverän sind, hat er hingegen weniger Lust auf Diskussionen, zeigt sich aber selbst hier im Streitfall kaum kompromissbereit.

Im Tierheim helfen ihm feste Strukturen und Tagesabläufe dabei, etwas durchzuatmen und schaffen zusammen mit einer fairen Kommunikation die Erwartungssicherheit, die er braucht, um ruhig zu bleiben. So können Mensch und Hund sich aufeinander einspielen und besser vorhersehen, was als nächstes vom Anderen erwartet wird. Tarik braucht im täglichen Umgang unbedingt Menschen, die in der Lage sind, Hundekörpersprache zu lesen und richtig zu deuten. Wer es zudem schafft, auch kleine oder große Tiefs durchzustehen und sich davon nicht unterkriegen lässt, kann Tariks große Chance auf ein eigenes Zuhause sein.