Beim jungen Fetz handelt es sich um einen spannenden Rassemix, bei dem sowohl Genetik, Epigenetik, aber auch die bereits gesammelten Erfahrungen aus seinem ersten Zuhause zusammenkommen und das Bild eines mental instabilen jungen Rüden hinterlassen. Bereits seine Eltern hatten nicht das stabilste Nervenkostüm und wollten auf ihrem Bauernhof, fern ab von ungewohnten Reizen, nichts von der weiten Welt wissen. Selbst Besuch war für die beiden zu viel und so wurde mit Blick auf fremde Zweibeiner bereits Reißaus genommen und diese höchstens von der Ferne aus beobachtet oder verbellt.
So begann auch Fetz eher skeptisch und stets besorgt durchs Leben zu schleichen – schließlich vertrauen die Welpen erst einmal auf die Einschätzung der erwachsenen Vierbeiner, wenn ihnen sonst nicht gezeigt wird, dass es keinen Grund zur Panik gibt. Leider ging es für Fetz erst einmal so weiter. Im Umgang mit einem unsicheren Hund verstärkt man die Problematik oft unbewusst, wenn man ihn zu sehr in Watte packt.
Doch heute sieht man zum Glück nicht mehr viel von dem einst so panischen Hund, der sich vor lauter Angst kaum getraut hat, sich zu bewegen. Nein, inzwischen haben wir einen mutigen, lustigen und lockeren Hund vor uns, der im Tierheim lernen konnte, sich auf Menschen zu verlassen und seine Sorgen zu vergessen. Mit dem richtigen Standing hat er sofort verstanden, dass all die Unsicherheit unbegründet ist und er gemeinsam mit seinen Bezugspersonen auch neue Herausforderungen meistern kann. Mehr und mehr wird der Witzbold in ihm sichtbar, der er eigentlich ist, doch endet das Training hier noch nicht.
Der schwarz-weiße Lulatsch hat (verständlicherweise) Freude an der gemeinsamen Zeit gefunden und es fällt ihm schwer, auch wieder Abstand zu akzeptieren. Sobald sich ein bekanntes Gesicht in Sicht- oder Hörweite befindet, startet der Ruten-Propeller und Fetz ist bereit zum Abheben. Es fällt dem großen Kerl noch schwer, diese Energie zu dosieren und auch Frust zu ertragen, falls man schlussendlich doch einen anderen Weg einschlägt. Anfangs hat er dieser Erregungslage auch stimmlich freien Lauf gelassen – inzwischen pendelt es sich ein und diese Momente werden ruhiger. Besonders in der Anfangszeit, in der man versucht sich mit allerlei Spielen und Energie „einzuschleimen“, kann es schwierig werden, wieder einen Gang zurück zu schalten. Fetz ist wandelbar und passt sich zum Glück schnell an die Vorgaben seiner Menschen an – sofern man diese authentisch rüberbringen kann. So ist seine Zukunft noch offen und kann trotz der Startschwierigkeiten noch gute Wege einschlagen, wenn man nun darauf achtet, dass sich keine ungewünschten Verhaltensweisen einschleichen und festigen.
Ähnlich zur Frustrationstoleranz zeigt sich auch seine Haltung gegenüber Bewegungsreizen ausbaufähig. Hat man einen Blick darauf und setz passende Korrekturen, ist es für Fetz leichter sich zurück zu halten. Je unkonzentrierter Mensch und Hund, desto höher die Gefahr, dass Fetz dem Impuls nachgibt und nach vorne geht. Was diesen am Ende auslöst, kann vielseitig sein – angefangen bei den Klassikern wie Kaninchen oder Rehen bis hinzu Fahrrädern oder auch spielenden Kindern. Hinter jeder für uns noch so alltäglichen Situation kann ein auslösender Reiz warten, weshalb vorausschauendes Handeln im Umgang mit Fetz besonders wichtig ist. Durch die Vielseitigkeit bieten sich zudem einige Situationen, die man neben gestellten Stellvertreterkonflikten zum Training nutzen kann.
Nun beginnt mit Fetz’ erstem Geburtstag auch sein zweiter, neuer Lebensabschnitt, in dem ihm mit passendem Umgang und Training ein Ausweg aus dem schwierigen Start ermöglicht wird. Einige neue Verknüpfungen konnten wir in seinem jugendlichen Hirn bereits herstellen und hoffen nun auf ein neues Zuhause, in dem das bereits Erarbeitete weitergeführt wird.